Ein großes Manko bei der Beurteilung von Heimkino-Sets ist zugegebenermaßen unsere bisher starrköpfige Haltung zu neuzeitlicher Unterhaltung mittels bewegter Bilder und die daraus resultierende Weigerung, entsprechende Rundumsignal-Versorger ins Haus zu lassen. Diese nicht ganz vorurteilsfrei zu nennende Gesinnung müssen wir demnächst wohl überdenken, denn nach und nach werden es weitaus mehr Menschen sein, die wir per heimischem Theater erreichen können als über die Beweihräucherung von altvorderer Stereo-Technik. Heute ist die Welt nicht mehr ausschließlich dual zu erfassen, auch wenn reines Musikhören mit den richtigen Boxen so viel Spaß machen kann. Für den Moment haben wir aber noch die Ausrede, vom Erfolg der Wallies so überrascht worden zu sein, dass wir es versäumt haben, einen Mehrkanal-Amp anzuschaffen. So blieb uns zu unserem aufrichtigen Bedauern nur die Bewertung der Konstrukte mittels hergebrachter Verstärker. Dafür haben wir aber unseren Hörort dorthin verlegt, wo Platz an der Mauer geschaffen werden konnte, und auch den Vergleich mit adäquaten Kompaktboxen ohne Wandzwang nicht gescheut. Heraus kam natürlich nichts wirklich Überraschendes, denn unabhängig vom Standpunkt waren unsere SB-Boxen in der Lage, leise und laute Töne ohne tonale Änderungen, Ein- und Ausschwingvorgänge von Instrumenten mit der richtigen Intensität und Breite und Tiefe der Bühne in glaubwürdigem Maß darzustellen. An der Wand hängend wurde der Bass verstärkt, was durch den lauteren Hochtöner passend ausgeglichen wurde. So knallten auch Effekte etwas mehr um die Ohren als bei den frei stehenden Kompakten. Sehr angenehm machte sich die leichte Senke um 3 kHz bemerkbar, lästiges Gezischel ließ die Stimmwiedergabe auch bei heftigem Umgebungslärm, wie er in manchen Filmen vorkommt, nicht nervig werden. Trotzdem fehlte nichts an Durch- und Feinzeichnung, wenn Musik aus den Wallstreet 3 oder 4 erklang. In dieser Abteilung gefielen uns die SB 15 oder SB 30 direkt nach dem Umschalten besser, weil sie weniger Kompromisse hinsichtlich früher Reflexionen eingehen mussten. Doch schon zwei Minuten Zuhören reichten aus, um uns wieder mit der anderen Betonung anzufreunden, fast sogar gar nicht mehr zu wissen, ob es vorher anders klang. Das ist ein gutes Zeichen, denn grobe Verfärbungen lassen sich nicht durch Gewöhnung überhören. Sie werden im Gegenteil, einmal wahrgenommen, immer deutlicher erkannt. Nicht ganz leicht war der Vergleich der Wallstreet 3 und 4 mit ihren Schwestern. Mangels weiterer Gehäuse blieb uns nur das Umschrauben, wodurch die Vergesslichkeit, in diesem Fall einmal nicht altersbedingt, entsprechend zunahm. Doch denken wir, dass es keine Herabwürdigung der Wallstreet 1 und 2 ist, wenn wir behaupten, dass sie ihre Sache gut, aber nicht ganz mit der Präzision und Dynamik ihrer Mitbewerber um unsere Gunst machten. Aufgefallen sind die Unterschiede jedoch erst richtig beim Abspielen sehr gut aufgenommener CD’s, die noch ohne die heute gebräuchliche, übermäßige Kompression aufgenommen feinste Nebengeräusche ans Ohr brachten, während die Musiker erfolgreich bemüht waren, sich gegenseitig zu übertönen. Das kann halt nur die Bluesklasse.
Udo Wohlgemuth